Die Horroroma, der Glöckner, die Currywurst und ich

Gerade eine Currywurst gegessen. Ja, bei Konnopke. Bloß weil Gerhard Schröder dort auch mal eine gegessen hat, sind sie noch lange nicht schlecht. Nein, das sind sie nicht. Es sind fast die einzigen Currywürste, die diesen Namen verdienen, also ehrlich, ich meine, ich will den Osten ja nun wirklich nicht wieder haben, aber Currywürste konnten wir machen, aber hallo! Meine erste Westcurrywurst hat mich maßlos enttäuscht: Bratwurst, in Öl frittiert und mit Ketschup und Currypulver … befleckt, bäh!

Aber ich wollte was ganz anderes erzählen. Vor mir in der Schlange stand eine Oma, grauer Mantel, buntes Halstuch, braune Schuhe, schwarze Handtasche, weiße Haare, dicke Brille usw. usf., was halt so zu einer Oma gehört. Bestimmt waren Süßigkeiten für die Enkel in der Tasche. Genauso sah sie aus. Sie konnte kaum noch laufen. Später saß sie dann am Nachbartisch, bei einer weiteren Standard-Oma. Zu ihren Füßen hüpfte eine Taube rum. „Hach, diese Tauben“, sagte sie. Dann steckte sie sich die Wurst in den Mund und biss ab. „Schlimm, schlimm, schlimm“, seufzte sie und schüttelte resigniert den Kopf biss wieder ab und kaute gründlich. Ich erwartete jetzt eigentlich sowas wie: „Früher gab’s ja nicht soviele Tauben“ oder „Also diese Tauben von heute, ts, ts, ts, keinen Respekt mehr“, stattdessen sagte sie ganz ruhig und an niemanden speziell gerichtet: „Na, ich hab ja schon zwei getötet“ und mir blieb mein Bissen fast im Hals stecken. „Hab was gestreut an meinem Fenster, um sie anzulocken, und dann habe ich sie eingesperrt, im Doppelfenster, und habe sie flattern lassen, bis sie tot waren. Ha! Das haben die sich gemerkt, also die anderen Tauben, jetzt kommen die nicht mehr …“

Was war ich froh, als ich weg war. Jetzt sitze ich in einem Café mit WLAN und schreibe ins Weblog. Voll digitale-Bohéme-mäßig, was? Tja, da hilft wohl alles leugnen und doof finden und „Aber ich trinke keinen Latte Macchiato, sondern einen Filterkaffee! Schwarz!“-Rufen nichts: Irgendwie gehöre ich ja doch dazu. Auch wenn ich als Vorleser manchmal noch ganz schön analog bin. Hm. Auf alle Fälle Prekariat. Oder urbaner Penner, wie die zitty das mal genannt hat. Und wenn es gerade gut läuft und das Wetter so ist wie heute, ist das eine tolle Sache, wirklich!

Gerade kam ein echter Penner rein, der hässlichste und bemitleidenswerteste Mensch, den ich seit langem gesehen habe (naja, den ich seit gestern gesehen habe, seit der weinenden Fixerin in der Fußgängerunterführung). Er muss das Vorbild für den Glöckner von Notre Dame gewesen sein. Der Buckel war … atemberaubend. Sein Kopf schlingerte ungefähr auf Bauchnabelhöhe, so gebeugt lief, nein, zitterte er durch das Lokal. In der Hand hielt er eine zerfledderte Obdachlosenzeitung, die er wohl irgendwo gefunden hatte und nun weiterzuverkaufen versuchte. Er war extrem dünn, nur Haut und Knochen und Adern und Pusteln, mit einer Hand musste er die Hose halten, die ihm ständig von den Hüftknochen rutschte. Nachdem er seine Runde gedreht hatte, ließ er sich auf einem freien Platz nieder und den Kopf zwischen Unterschenkeln baumeln, und er vergrub sein Gesicht in seinen Händen.

Nach 5 Minuten rappelte er sich auf und wackelte davon. Der Kaffee hier schmeckt gut. Und der Kuchen in der Vitrine sieht sehr lecker aus …

Tut mir leid, ich habe gerade keine abschließende Moral oder so parat.

(Volker Strübing)

PS: Ist „Horroroma“ nicht ein tolles Wort, vor allem, weil man nicht weiß, wie man es aussprechen soll, wenn man den Zusammenhang nicht kennt? Nach Futurama jetzt Horroroma! Es könnte aber auch eine Magarine aus der Hölle sein.

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6 Kommentare zu “Die Horroroma, der Glöckner, die Currywurst und ich

  1. phu…ich ich habe irgendwie das Gefühl, dass das keine so gute Idee war Dein Posting neben dem Abendbrot zu lesen…jetzt führt mir mein Magen gerade nochmal vor Augen, dass Oliven, tote Tauben im Doppelfenster, Pusteln und Schokobrötchen nicht so unbedingt das beste Menü ergeben…

  2. Horroroma klingt wie ein neues Oktoberfest-Bierzelt speziell für Taubenmordende Omas. Wobei ich nicht weiß wo ich lieber wäre: In den Standard-Bierzelten mit den Wahnsinnigen oder im Horroroma? Schwere Entscheidung…

  3. Mist, da war noch mein alter Blog verlinkt den ich umgezogen habe…ich wordpress newbie…Asche über mein Haupt.

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