Kloß und Spinne – Teil 26: Führer war alles besser

So. Nach einer Woche Arbeit habe ich keine Ahnung mehr, ob der Film gut ist …

Eigentlich sollte es dazu noch einen kleinen Text mit einigen Gedanken zum Thema geben, aber das muss nun doch noch warten.

Grüße aus dem Studio Strübing …

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Von Wustrow nach Paris

Crowdfunding ist eine tolle Sache und Startnext eine super Plattform dafür. Zum einen aus dem offensichtlichen Grund, dass es die Realisierung von Projekten ermöglicht, die nach herkömmlichen Marktprinzipien oder Förderkriterien keine Chance gehabt hätten, zum anderen, weil es den Unterstützern das schöne Gefühl gibt, selbst einen Beitrag zur Verwirklichung eines Traumes beigetragen zu haben und über die oft sehr speziellen/originellen/persönlichen Dankeschöns für diesen Beitrag auch etwas zu bekommen, dass weit mehr ist als nur das fertige Produkt oder Kunstwerk.

Tatsächlich trage ich mich ernsthaft mit dem Gedanken, selbst ein Crowdfunding-Projekt zur Wiederbelebung von Kloß und Spinne zu starten. Allerdings muss ich mich dazu erst einmal auf die Suche nach Leuten begeben, die mich bei der Animation unterstützen (bzw. diese übernehmen würden) bzw. textlich mitarbeiten, um regelmäßig neue Folgen zeigen zu können.

Doch ersteinmal möchte ich hier noch einmal auf eine andere Crowdfunding-Aktion aufmerksam machen: Den Film 3000 Grad – von Wustrow nach Paris. Eine Dokumentation von Henri Tonn über das gleichnamige Musikfestival. Heimatfilm, Roadmovie, Musikvideo alles in einem. Elektronische Musik, Mecklenburgische Kühe, Anglerlatein und Lebensweisheiten in Kittelschürzen, ein Wanderzirkus, eine Lebenseinstellung, ein Märchen, eingefangen in tollen Bildern. Ich konnte einen ersten Rohschnitt sehen und bin ehrlich begeistert. Schon der Trailer ist toll:

(Am besten im Vollbildmodus angucken, WordPress scheint Probleme mit der Einbindung zu haben.)

Besonders schön ist, dass Festival und Film so gut zusammenpassen: Beides funktioniert über die Begeisterung der Macher, denen ihre Unabhängigkeit wichtiger ist als der Gewinn. Das heißt leider nicht, dass das ohne Geld auskommen würde. Nach 40 (unbezahlten) Drehtagen in 18 Monaten und hunderten Stunden der Materialsichtung geht es jetzt um Feinschintt, Finalisierung und Herstellung. Und das ist ohne Unterstützung nicht mehr zu schaffen. Die Finanzierungsphase bei Startnext ist auf einem guten Weg. Fast 45 Prozent der Summe sind schon zusammengekommen. Den Rest schaffen wir auch noch!

Schaut euch den Trailer an, lest euch die Projektbeschreibung durch und vielleicht bekommt ihr ja Lust, euch selbst mit einem der Dankeschöns zu beschenken und einen tollen Film zu unterstützen!

 

Gewalt

Anders als man bei dem Titel denken könnte, ist dies hier ein positiver Beitrag. Er beschäftigt sich mit dem gleichnamigen Sachbuch von Steven Pinker, dessen Grundthese zwischen all den populären Welt- oder wenigstens Zivilisationsuntergangsprognosen deutlich heraussticht:

Dieses Buch halndelt vom Wichtigsten, was in der Menschheitsgeschichte jemals geschehen ist. Ob sie es glauben oder nicht – und ich weiß, dass die meisten Menschen es nicht glauben: Die Gewalt ist über lange Zeiträume immer weiter zurückgegangen, und heute dürften wir in einer der friedlichsten Epochen leben, seit unsere Spezies existiert.

Man muss nur an die Ukraine oder an den Gazastreifen denken, an die Konfrontation zwischen China und Japan, an nordkoreanische Atombomben, die Wars on Drugs und Terror oder die Völkermorde in Afrika in den letzten Jahrzehnten, um daran zu zweifeln. Ganz unglaublich wird es, wenn er davon spricht, dass Gewalt in jeder Form und auf jedem Gebiet rückläufig ist: von Krieg über Mord bis hin zu häuslicher Gewalt.

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Lassen wir die Zweifel für einen Moment beiseite und stellen uns vor, er hätte recht: Es wäre nicht nur eine gute Nachricht, sondern auch eine, die viele beliebte Denkmuster umwirft, all das „Früher war alles besser“, „die Moderne führt in die Katastrophe“, „das ist nunmal die menschliche Natur“ und „der Mensch ist des Menschen Mensch“ etc.pp. Die Frage, ob die Gewalt in der Geschichte der Menschheit zugenommen hat, auf dem Rückzug ist oder völlig unabgängig von allen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, technologischen Entwicklungen ausbricht oder ausbleibt, ist ein entscheidender Faktor für die Beantwortung der Frage, ob es letztlich überhaupt Fortschritt gibt und ob dieser Fluch oder Segen ist.

Die Vorstellung, die Gewalt habe zugenommen, legt die Vermutung nahe, unsere von uns selbst gestaltete Welt habe uns – vielleicht unwideruflich – vergiftet. Die Vorstellung, dass sie abgenommen hat, lässt dagegen darauf schließen, dass wir anfangs garstig waren und dass die Hervorbringungen der Zivilisation uns in eine edle Richtung gelenkt haben, die wir hoffentlich weiterhin beibehalten können.

Auf mehr als 1000 Seiten sammelt Pinker Belege für seine These und geht dann möglichen Ursachen auf den Grund, wobei er außer in der Quantenphysik und Musiktheorie auf so gut wie jedem Gebiet der Natur- und Geisteswissenschaften unterwegs ist. Das Ganze ist äußerst spannend, mörder interessant und überwiegend prima zu lesen.

Na gut: Auf den ersten paar hundert Seiten zieht es sich manchmal ein wenig. Dort erzählt er die Geschichte der menschlichen Gewalt und unterlegt sie mit Dutzenden Statistiken, die ihren Rückgang belegen sollen. Tatsächlich veranstaltet er hier einigen Zahlenzauber und ich bin sicher, dass einige der Statistiken auf tönernen Füßen stehen, aber die Gesamtheit ist überzeugend, zumal die Interpretation mir stets plausibel schien.

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An eins muss man sich dabei gewöhnen: Pinker arbeitet mit Maßeinheiten, die dem Herz erst mal an die Nieren gehen (sozusagen): Kriegstote/Mordopfer/Hingerichtete pro 100.000 Menschen, solches Zeug. Und wenn vor 500 Jahren in einem Land mit zehntausend Einwohnern 100 pro Jahr Opfer von Gewalt wurden, dann wertet er es als Fortschritt, wenn im selben Land 300 Jahre später von 100.000 Einwohnern nur 200 umgebracht wurden. Mit solchen Rechnungen kommt man schnell dahin, dass der Zweite Weltkrieg zwar eine Beule nach oben in der nach unten weisenden Kurve der Gewalt war, aber nur hab so schlimm, wenn man ihn mit dem Dreißigjährigen Krieg vergleicht. So etwas kann schnell einmal zynisch klingen:

Nimmt man die massenhaften Gräueltaten der Menschheitsgeschichte zum Maßstab, so ist die Giftspritze für einnen Mörder in Texas oder ein gelegentliches Hassverbrechen […] eine recht harmlose Angelegenheit.

Das Buch ist aber keineswegs zynisch (im Gegenteil: es ist ein Apell gegen Zynismus und Fatalismus), und auch wenn solche Rechenspiele jedem menschlichen Gefühl widersprechen, sind sie doch legitim, wichtig und aussagekräftig.

Der spannendere Teil ist die Suche nach den Ursachen für den Gewaltrückgang. Pinker findet viele Kandidaten, aber (Achtung Spoiler!), die meisten davon lassen sich auf ein Schlagwort zurückführen: „Zivilisation“ – ausgerechnet das, was vielen als der Weg des Menschen in die Verderbnis erscheint. Der Autor zeigt eindrucksvoll, wie unhaltbar alle Theorien von „im Einklang mit der Natur und sich selbst lebenden“ Wilden und Urhippies sind. Er identifiziert die Aufklärung als eins der Ereignisse (bzw. eine der Epochen), die den größten positiven (also negativen) Einfluss auf die Gewaltentwicklung hatten und widerspricht allen Behauptungen, die Aufklärung habe etwa zum Holocaust geführt.

Er beschäftigt sich mit der Biologie, Psychologie, Ökonomie und Moral der Gewalt. Einiges, was er bei der Ursachenforschung findet, behagt mir nicht, ist deshalb aber nicht einfach von der Hand zu weisen und jedenfalls lesenswert und diskussionswürdig. Pinker stimmt der „Broken window“-Theorie und folglich auch der „Zero Tolerance“-Politik im Kampf gegen das Verbrechen zu, erklärt eine dem Trend entgegenstehende extreme Zunahme des Verbrechens in den USA in den 60er- und 70er-Jahren mit dem schlechten Einfluss der Popkultur und sieht eher freien Handel als „Wohlstand für alle“ als befriedenden Einfluss.

Ich schrieb oben, dass ich sein Buch in weiten Teilen sehr überzeugend und die meisten seiner Thesen plausibel fand. Ich kann aber nicht sagen, inwieweit das daran liegt, dass ich ihm glauben wollte. Weil es gut tat, nach all dem Gekeife, dem Zynismus oder Fatalismus mit dem der Untergang beschworen (und, zumindest was die Demokratie angeht, vielleicht auch als selbsterfüllende Prophezeiung herbeigeschrien) wird, etwas zu lesen, was Mut macht, was einem das Gefühl gibt, es sei nicht alles verloren und es ergäbe Sinn, auf die Zukunft zu hoffen.

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Der Autor selbst würde wohl zustimmen, dass die insgesamt nach unten weisende Zickzacklinie der Gewalt gerade wieder nach oben ausschlägt. Kriege, Bürgerkriege, Aufstände und vor allem das Revival von religiösem Fanatismus und Nationalismus mit all ihren schlimmen Begleiterscheinungen lassen nichts Gutes für die nächsten Jahre erwarten. Aber dennoch gibt es Hoffnung.

Bei allem Kummer in unserem Leben, bei allen Schwierigkeiten, die auf der Welt noch bleiben, ist der Rückgang der Gewalt eine Leistung, die wir würdigen können, und ein Impuls, die Kräfte von Zivilisation und Aufklärung, durch die sie möglich wurde, hoch zu schätzen.

So. Und jetzt kauft euch alles das Buch, ich suche Leute, mit denen ich darüber diskutieren kann:

Statt Amazon: Taschenbuch oder Ebook beim Landbuchhändler bestellen.

Making-of-Notes: Gestern (Sonnabend) kam es beinahe zu einem Ausschlag nach oben in den Gewaltstatistiken der Deutschen Bahn, als ich im ICE nach Augsburg eine halbe Stunde lang die FAZ zerriss, weil ich viel Zeit und die Idee mit den Collagen hatte. „Krrrrcccht!“, „Krrrrrchcchchchchchchchchcht-Ratsch!“, „Krchk!“ – ich hätte mich gehasst!

 

 

Nach Halt ich sehnt mich in der Welt

Ein Schnipseltext zum Thema Nachhaltigkeit.

1.

Dieser Text ist nicht nachhaltig. Für seine Herstellung wurden 130 Gramm Papier aus 217 Gramm finnischer Lärche, deren Wachstum 4 Monate dauerte, wobei 21 Gramm Kohlendioxid gebunden wurden, denen 467 Gramm Kohlendioxid und 2,98 Liter Wasser, die während ihrer Verarbeitung freigesetzt bzw. verschmutzt wurden, gegenüberstehen, verwendet. 57 Kaffeebohnen mussten angepflanzt, mit 7 Gramm chemischem Dünger aus 16 Gramm hochgiftigen Ausgangsmaterialien gedüngt, mit 24 Litern Wasser gegossen, schließlich geerntet, getrocknet, geröstet, gemahlen, vakuumverpackt, nach Deutschland verschifft, und per LKW zum Supermarkt gefahren, verkauft, mit 6 Litern Wasser, das unter Einsatz von 0,9 Kilowattstunden Energie aus gemischten Quellen auf 100 Grad Celsius erhitzt wurde, aufgebrüht und getrunken werden, um den kreativen Prozess in Gang zu setzen, in dessen Verlauf das Gehirn des Autors insgesamt 2400 Kilokalorien verbrannte, die er durch den Verzehr eines großen XXL-Schnitzels vom Schwein, dessen Aufzucht und Zubereitung 12.000 Kilowattstunden Atomstrom verbrauchte, 72 Kilogramm CO2 freisetzte, 1256 Liter Wasser verschmutzte und das am Ende nicht einmal schmeckte, zu sich genommen hatte. Die Recherche der eben genannten Fakten verschlang 0,0007 Sekunden Rechenzeit und 0,02 Kilowattstunden Strom auf den Serverfarmen von Google, sowie 1 Stund Rechenzeit und 0,8 Kilowattstunden Strom auf meinem heimischen Rechner, bevor ich beschloss, dass Recherchieren bleiben zu lassen und mir sämtliche Zahlen einfach selbst auszudenken in der berechtigten Annahme, dass Sie, werte Leser, das alles ohnehin sofort wieder vergessen werden – oder könnten sie noch ohne nachzuschauen sagen, wieviel Gramm welchen Baums angeblich in diesem Text stecken?)

2.

Ob ein Text nachhaltig ist, verrät nicht seine Energiebilanz, sondern ob etwas von ihm in den Zuhörern nachhallt.

3.

Vergessen Sie alles, was sie eben gelesen haben. Ein Text, der sich um das Siegel für nachhaltiges Schreiben bewirbt, sollte zu einem möglichst großen Anteil aus Altideen, Second-hand- und second-brain-Gedanken, recycleten Pointen und gebrauchten Argumenten bestehen. Daher bin ich froh, in Punkt 6 einen Vorschalg zu präsentieren, den ich hier an dieser Stelle bereits vor 2 Jahren machte, was einer Recyclingquote von Prozent (auf die Wortanzahl bezogen sogar 40 Prozent) entspricht.

4.

Sanfter und nachhaltiger Tourismus gilt als besserer Tourismus als Massentourismus. Besser für die Umwelt, besser für die Reisenden, besser für die einheimischen Arbeiter in der Tourismusindustrie. Doch diese Aussage ist ungefähr so sinnvoll wie die Aussage, ein Regentropfen sei besser als eine vierzigtägige biblische Sinflut, denn die Sinflut bestand auch nur aus harmlosen Regentropfen und ein sanfter Tourismus, der zum Massentourismus wird, hört auf auf sanft zu sein, selbst wenn es nur um einen Ausflug an den Liebnitzsee geht. Sanfter Tourismus ist in aller erster Linie weniger Tourismus. Und eine Abkehr vom Massentourismus heißt vor allem: Dass die Masse nicht mehr Tourist sein kann. Aber die Masse hat sich sowieso immer nur mit Sangria besoffen und sich nicht für Land und Leute interessiert, die Masse soll mal schön zuhause bleiben und Doku-Soaps über Familien im Brennpunkt gucken!

5.

Die Zerstörung der letzten schönen, unberührten Flecken der Erde schreitet in atemberaubenden Tempo voran. Urwälder werden zu Palmölplantagen, Dünen zu Betonburgen, Wiesen zu Parkplätzen, Bauern zu Hotelangestellten, Gletscher zu Wasser, die letzten Exemplare mancher Fischart zu Fischstäbchen. Was kann der Einzelne in dieser Situation tun? Es verhindern? Unmöglich, das ist zuviel verlangt von einem Einzelnen. Die Antwort lautet: Verreisen! Ab in den Urlaub, solange es noch geht! Verreisen sie billig, dann könne Sie öfter verreisen! Machen Sie dass letzte Foto von den letzten ihrer Art und drehen sie das letzte Video vom letzten Fleckchen Regenwald, damit sie ihren Enkeln einst die Bilder zeigen können! Verwenden Sie dafür nur bestes Equipment. Wenn alle Wunder der Natur in ausreichendem Maße in HD und 3D abgefilmt sind, dann brauchen wir sie im Grunde genommen nicht mehr! Seien sie doch einmal ehrlich: Was nutzt Ihnen persönlich irgendein Korallenriff in der Südsee? Würden Sie freilebende Gorillas wirklich vermissen? Haben Sie nicht viel mehr von all den schönen Palmölprodukten als vom Urwald auf Sumatra? Und was haben die Eisbären und Wale eigentlich jemals für uns getan?

6.

Was den Wal angeht, muss ich mich revidieren und entschuldigen. Im Februar 2012 strandete vor der belgischen Küste der Wal Teofiel, dessen Kadaver zu 50 Prozent von einem kleinen innovativen Unternehmen zu Biodiesel verarbeitet wurde. Hier drängt sich natürlich sofort der Gedanke auf, dass Wale zukünftig einen wichtigen Beitrag zur Energiewende leisten könnten. Allein der aus diesem Tier gewonnene Brennstoff liefert 50.000 Kilowattstunden Strom, genug Strom, um 14 Haushalte ein Jahr damit zu versorgen oder eine halbe Million Liter Kaffee aufzubrühen. Beim Wal handelt es sich also um einen nachwachsenden Rohstoff von großem ökonomischen und ökologischen Potential.

Die Umwandlung von Walen, diesen ebenso liebenswerten wie energiereichen Meeressäugern in Biodiesel stellt daher eine zeitgemäße Art dar, unseren flossenbewährten Freunden einen angemessenen Platz im nachhaltigen Energiemix der Zukunft zuzuweisen. Für ein Land wie Deutschland würde schon die vergleichsweise kleine Zahl von 1,2 Millionen Pott- oder 0,7 Millionen Blauwalen ausreicht, um sage und schreibe 6,3 Prozent des Gesamtenergiebearfs zu decken.

Alternativ ließe sich dieselbe Menge auch durch Verdieselung des dicksten Viertels der US-amerikanischen Bevölkerung erzielen, allerdings gilt diese Bevölkerungsgruppe in Amerika als strategische Energiereserve für den Fall eines arabischen Ölembargos. Die Ausfuhr stark übergewichtiger Amerikaner, auch ins befreundete Ausland unterliegt daher strengen Beschränkungen.

Darüberhinaus könnte die Walzucht in küstennahen Walfarmen dem Tourismus neue Impulse geben. Insbesondere Massenschlachtungen in kleinen Buchten wären ein Besuchermagnet, der viel Geld in chronisch unterentwickelte Regionen bringen würde.

Selbstverständlich sind vorher noch einige Vorbehalte seitens von falsch verstandener Tierliebe geleiteter sogenannter „Walschützer“ auszuräumen.

Der Wal selbst steht vor einer historischen Entscheidung: Will er wie bisher fröhlich und gedankenlos in den Tag hineinleben, seine ulkigen Lieder pfeifen und auf das Aussterben warten? Oder ist er endlich bereit, Verantwortung für sich und den ganzen Planeten zu übernehmen und sich Seite an Seite mit seinem besten Freund, dem Menschen, dem Klimawandel und der Abhängigkeit von arabischem Öl und russischem Gas entgegenzustellen?

Eine bessere Welt ist möglich. Wir haben die Wahl. Denn wir haben den Wal!

7. Nachhaltiges Liebesgedicht

Nach Halt ich sehnt mich in der Welt
nach Antworten und Trost für mich
Ich fand sie nicht in Ruhm und Geld
hab lang die Frage falsch gestellt
doch dann trat aus dem dunklen Wald ich
und fand auf der Such nach Halt – Dich

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(Toll, zwei Sachen auf einmal machen: Zum Auftritt fahren und gleichzeitig die Todo-Liste abarbeiten. Ist eigentlich mal jemandem aufgefallen, dass in „Todo-Liste“ das Wort „Tod“ enthalten ist? Aus diesem Anlass sei hier noch einmal auf den letzten Kloß-und-Spinne-Film hingewiesen. Premiere des nächsten Kloß-und-Spinne-Films ist übrigens am 8.1., aber dazu ein andermal …)

Wenn man etwas bei Facebook ankündigt, dann muss man es auch tun. Schließlich lesen nicht nur (je nach Privatspäreeinstellungen) bis zu 1 Milliarde Menschen mit, sondern auch die NSA und die Führer der freien Welt. Und da ich Obama nicht so enttäuschen möchte wie er mich enttäuscht hat (insgeheim hoffe ich, ihn dermaßen zu beschämen und so endlich doch noch zur Schließung von Guantanamo zu veranlassen), habe ich am 17.11. wie versprochen mit Rauchen aufgehört.
Meine Lieblingsapp seither heißt schlicht und einfach „Nichtraucher“:

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(Inzwischen sind es schon 808 Zigaretten, die ich seit dem 17.11. nicht geraucht habe. Wobei das natürlich Quatsch ist: Ich habe eigentlich viel mehr Zigaretten nicht geraucht; sogar als Raucher hätte ich Milliarden von Zigaretten nicht geraucht, weil sie zum Beispiel jemand anders geraucht hat.)

Ein herzlichen Dank an Lars für den Hinweis auf eine Bluemoonsendung von … irgendwann, schon lange her, anno Tobak sozusagen, 2006 oder so, in der ein Mensch im fritz-Studio zu Gast war, der Nichtraucherseminare gibt. Die dreistündige Sendung ist eine geraffte Fassung dieses Seminars. Da gab es zwar nicht viel Neues für mich zu erfahren, aber es hat dennoch gutgetan und geholfen, mir das vor der letzten Zigarette noch einmal anzuhören.
Keine Ahnung, ob ich die hier verlinken darf, auf alle Fälle sollte man sie finden, wenn man nach Blue moon und „nichtraucher in drei stunden“ sucht.

Der erste rauchfreie Monat ging gut über die Bühne (auch hinter der Bühne). Eigentlich war es sogar eine super Zeit, weil es alle paar Tage eine neue Premiere gab: Der erste Kaffee ohne Zigarette. Das erste Bier ohne Zigarette. Der erste Auftritt ohne davor und danach zu rauchen. Das erste Mal in einem Raucherbackstage mit rauchenden Kollegen ohne selbst zu rauchen. Die erste Geschichte seit Jahren, die ich schrieb, ohne zwischendurch zu rauchen und so weiter und so fort.
Bei Auftritten nicht mehr rauchen zu müssen ist beinahe das beste von allem. Wie nervig das war, fünf Minuten bevor es auf die Bühne ging schnell noch eine durchziehen zu müssen …

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Ab und zu benutze ich seitdem wieder meine Elektrozigarette. Aber nur zum Spaß. Mit Liquids ohne Nikotin und lustigen Geschmacksrichtungen. Das gefällt mir gut und man kann lustige Sachen mit dem Dampf machen. Und das beste: Man kann es auch bleiben lassen.

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Es grüßt aus dem Zug Richtung Bodensee: icke

Heraus zum 2. Mai!

Wer sich engageren möchte: am 14. April um 16 Uhr in der Baiz findet das 2. Vorbereitungstreffen für die Demonstration anlässlich des Internationalen Kampf- und Feiertages der Arbeitslosen am 2. Mai statt. Wir brauchen jede Menge Menschen, die mit machen, denn Roboter gibt es noch zu wenige.

Andreas Krenzke

Zweckentfremdung

Weil immer mehr Wohnungen, besonders in Pankow, als Ferienunterkünfte teilweise schwarz an Touristen vermietet werden, diskutiert die Berliner Provinzpolitik zur Zeit ein so genanntes Zweckentfremdungsverbot, dass diese Vermietungen unterbinden soll. Ich finde das gut, ich bin dafür denn ich bin auch dagegen, ich bin schließlich betroffen, kann ich ihnen gerne mal erzählen.

Ich bin ja auch Pankower. Wohne an der Nordküste von Prenzlauer Berg. Unweit brandet der Autoverkehr an die Gestade der Wisbyer. Bei uns im Haus werden auch Wohnungen zweckentfremdet. Wahrscheinlich sogar ganz legal. Jedenfalls bestimmt nicht schwarz und an der Steuer vorbei. Ein ganz großes Ding, der Hauseigentümer persönlich steckt angeblich dahinter. Also die Wohnungsbaugesellschaft. Ganz legal. Noch. Aber nicht mehr lange. Hoffentlich.

Bei uns im Haus betrifft das gleich mehrere Wohnungen. Sogar meine auch. Eigentlich alle. Die Wohnungen werden einfach vermietet. Ohne uns zu fragen. Dabei wohnen wir darin. Es ist, wenn man mal darüber nachsinnt, ein Skandal. Die Wohnungsbaugesellschaft vermietet unsere Wohnungen. An uns. Der Zweck einer Wohnung ist doch deren Bewohnung. Nicht deren Vermietung. Vermietung, nicht nur an Touristen, Vermietung ist an sich Zweckentfremdung.

Ich habe ja nichts gegen Betriebskosten oder dagegen, den Hausmeister zu bezahlen. Aber nur das Wohnen selbst? Ich verschleiße die Wohnung doch nicht. Eigentlich bewahre ich sie vor Verwahrlosung. Sie ist noch da, wenn ich ausziehe. Und selbst wenn ich die Wohnung irgendwie verbrauchen würde, wäre das keine Rechtfertigung für Miete. Bomberpiloten bezahlen doch auch nicht für die Häuser, die sie verschleißen. Gleiches Recht für alle!

Und ich weiß natürlich, dass Häuser ab und zu renoviert werden müssen. Aber wenn ich meine vier Wände malere, bekomme ich auch nichts, von der Wohnungsverwaltung, warum sollte es umgekehrt so sein? Der Graffiteur bekommt auch kein Geld fürs taggen. Und wieso steigt mit jeder Sanierung die Miete? Sie sinkt doch auch nicht, wenn das Gebäude abgewohnt wird.

Außerdem: Mein Haus, in dem ich wohne, wurde vor 90 Jahren gebaut. Inzwischen sollte es abbezahlt sein, oder die Miete nach mehreren Währungsreformen im zweistelligen Bereich liegen, im zweistelligen Centbereich.

Wir reden immerhin von Wohnungen, die unsere Urgroßeltern gebaut und trocken gewohnt hatten. Die unsere Großeltern nach dem Krieg wieder aufbauten. Ohne dass sie deswegen einen Besitz daran oder ein Vermögen damit erwarben, welches sie uns vererben konnten.

Wenn Miete etwas objektives wäre, dann müsste sie doch auch überall mehr oder weniger gleich hoch sein. Ähnlich wie der Benzinpreis. Mir kann niemand erzählen, dass die gleiche Wohnung in Köpenick weniger wert ist als in Prenzlauer Berg. Oder in Brandenburg billiger als in Berlin. Oder das sie in Hamburg oder München mehr wert und damit teurer sein kann als in Berlin, schließlich befindet sie sich doch in Hamburg oder München.

Jeder Mensch muss wohnen. Es ist moralisch falsch, mit dem Besitz von Wohnraum Geld zu verdienen. Man kann, wenn man Geld braucht schließlich auch arbeiten gehen. Oder ALG II beantragen. Machen viele andere, die keine Häuser besitzen auch so.

Überhaupt, wenn die ehemaligen Hausbesitzerinnen und –besitzer plötzlich auf dem Amt auftauchen, mal sehen, wie schnell sich dort ein freundlicher Umgang mit Hilfebedürftigen einstellen würde.

Oder man dreht das alles um. Man schafft die soziale Grundsicherung, wie sie bisher war, ab, indem man jeder arbeitslosen Person mehrere Wohnungen übergibt, von deren Vermietung sie dann leben kann. Bei 40 Millionen Wohnungen in Deutschland und 3 Millionen Arbeitslosen, wären das 13 Wohnungen pro Arbeitslosen. Das Durchschnittseinkommen liegt bei ungefähr 2500 Euro (vielleicht könnten Arbeitslose mit weniger klarkommen). Um so viel einzunehmen, müsste der einzelne Arbeitslose eine einzelne Wohnung für knapp 200 Euro vermieten. Damit könnte ich leben. Es ist ein okayer Betrag. Ich wüsste, wer mein sauer verdientes Geld kriegt – und woher mein Geld kommen könnte, wenn ich mal nichts mehr sauer verdienen sollte.

Eigentlich müssten die Menschen, allen voran Hamburger und Münchener, sofort beginnen, meine Idee Realität werden zu lassen, durch Demokratie. Meinetwegen auch durch Revolution. Oder, was ich immer propagiere: Evolution. Aber das ist ja jetzt nicht mehr nötig. Denn Berlin plant ein Zweckentfremdungsverbot.

Endlich eine Sorge weniger!

(Andreas Krenzke)

Bettel Star Galactica

Mehrere Facebookfreunde haben das Video empfohlen, insgesamt wurde es fast 30.000 Mal bei Facebook geteilt und mehr als 15 Millionen mal auf youtube angeschaut. Na gut, ich guck’s mir auch an: Sentimentales Klaviergeklimper. Ein blinder Mann sitzt auf einer Treppe neben einem Fußweg. Eine Blechbüchse und ein Schild: „I’m blind. Please help me!“ Passanten eilen vorbei, einige werfen achtlos eine Münze hin. Nahaufnahmen des traurigen Mannes und einiger Leute, die von seinem Leid ungerührt ihren Geschäften und Vergnügungen nachgehen.

Eine hübsche Frau (soweit man das trotz ihrer Puck-die-Stubenfliege-Brille beurteilen kann) stöckelt an ihm vorbei, hält inne, kehrt um und hockt sich vor ihn. Während er ihre Schuhe abtastet, schreibt sie wortlos etwas auf die freie Rückseite seines Pappschildes und stellt es wieder hin. Dann geht sie, und in der Folge kann sich der Bettler kaum noch vor Spenden retten, er kommt kaum mit dem Einsammeln der Münzen hinterher, die auf seine Sitzdecke herabregnen, niemand geht mehr vorbei, ohne sein Portemonnaie zu zücken, er sollte dringend über die Anschaffung eines Kartenlesegerätes nachdenken oder morgen zumindest eine Schubkarre mitbringen.

Schließlich hockt sich die junge Frau erneut vor ihn, er erkennt sie an ihren Schuhen. „What did you do to my sign?“, fragt er.

„I wrote the same“, antwortet sie lachend, etwa so, als würde sie einem kleinen Kind erklären, dass es doch nicht schlimm sei, dass es eingepullert habe, „but with different words!“

Abgang der Frau, Schwenk auf das von ihr geschriebene Schild: „It’s a beautiful day and I can’t see it.“ Schwarzblende. 2 Schrifttafeln zu ausfadender Schnulzmusik. „Change your words. Change your world“, sagt die erste, die zweite stellt die Internetmarketingfirma vor, die mit diesem Rührstück für ihre Dienste wirbt.

Ich lese ein paar Kommentare: „Wie schön, mir geht das Herz auf“, „Das ist so süüüüüüüüß“, „Wenn es doch mehr Menschen wie diese nette Frau gäbe“, „Teilt dieses Video, das sollten sich manche mal zu Herzen nehmen“, „Ich hätte fast geweint“. Statt zu weinen kotze ich in breitem Strahl auf die Tastatur (denkt einfach an die Restaurantszene aus „Der Sinn des Lebens“). Ich weiß vor Schreck gar nicht, was ich schlimmer finden soll: Das Video selbst, die angehängte Werbetafel oder die Kommentare. Mit einem Kotzkübel auf den Knien zwinge ich mich, mir das Video noch dreimal anzuschauen und noch ein paar Dutzend Kommentare zu lesen, in der Hoffnung, einen Hinweis darauf zu finden, dass das alles nur Satire ist – erfolglos.

Was für Menschen machen sowas? Was für Menschen klicken bei sowas „Gefällt mir“? Warum dauert es noch fast drei Wochen, bis die Welt endlich untergeht?

Armut – ein Problem schlechten Marketings.

Da war diese vollkommen besoffene Frau gestern am Nollendorfplatz. Parka, strähniges Haar, eine Goldkroneflasche in der einen, einen halbzerfetzten, nach oben geklappten Regenschirm in der anderen Hand stand sie im Schneeregen und blaffte ab und zu „Fuffzich Zent, mal ’n Euro“. Statt Pianokitsch gab es „Lasst uns froh und munter sein“ von Nena aus dem Ghettoblaster eines anderen Betrunkenen, der zehn Meter weiter Stellung bezogen hatte. Welche Worte würden die Welt dieser Frau ändern und zu einem signifikanten Umsatzplus führen? Vielleicht: „Es ist ein beschissener Tag. Und ich muss ihn doppelt sehen.“

Gar nicht schlecht, oder? Ich war ja mal Werbetexter, vielleicht sollte ich mich in den Dienst der guten Sache stellen und (gegen eine faire Umsatzbeteiligung) die Armut in Deutschland besiegen. „Bettel Star Galactica“ wäre ein ziemlich cooler Name für die Agentur. Statt dem langweiligen „Bitte 50 Cent für Hundefutter“-Schild, würde ich dem Punk vor dem McDonalds einen „Lassen Sie ein Hundeherz höher schlagen“-Aufsteller gestalten, komplett mit vielen Herzchen und einem Link zur Facebook-Fanseite des Hundes, die ich gegen entsprechenden Aufpreis ebenfalls einrichten und pflegen würde.

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(Dieses Bild hat mit dem Artikel nichts zu tun. Ich möchte mir nur nicht nachsagen lassen, ich würde immer nur meckern und vollkommen ignorieren, dass eigentlich alles immer besser wird.)

Ich weiß gar nicht, warum ich mich über dieses Filmchen (und vor allem über die erschreckend dummen positiven Kommentare darunter) so aufrege. Es ist doch eigentlich viel schlimmer, dass es überhaupt bettelnde Menschen gibt, als dass irgendjemand diesen Umstand für klebrigen, paternalistischen Eigenwerbescheiß ausbeutet und Tausende dumme Menschen sich davon rühren lassen. Aber man kann sich ja auch nicht immer aussuchen, worüber man sich besonders ärgert.

Vielleicht bin ich ja ein kaltherziger Zyniker, der den Menschen nur die Märchen kaputtmachen will, die sie doch brauchen, um in einer Welt ohne Happy Ends klarzukommen (dabei hat mir doch „Slum Dog Millionär“ selber so gut gefallen und wenn ich mir endlich mal „Pretty Woman“ angucken würde, müsste ich bestimmt auch weinen). Und überhaupt: Wenn es in Dritte-Welt-Slums kein fließendes Wasser gibt, dann sollen die Leute halt Milchkaffee trinken.

(Volker Strübing)

Ach so: Wer den Film sehen will: http://www.youtube.com/watch?v=Hzgzim5m7oU. Ein paar Klicks mehr machen jetzt auch nichts mehr.

 

SNAFU und die New Nerd Order

„Was heißt hier Nerd? Du willst ein Nerd sein?“, schrie TFM. „Bloß weil du ne Brille hast, eine Wifi-Verbindung einrichten und stundenlang über Theorien zu Lost quasseln kannst? Du bist genausowenig Nerd, wie diese Idioten mit Fußballer-Iros Punks sind! Du bist genausowenig Nerd, wie irgendein Werbefuzzi Revolutionär ist, weil er nach Feierabend im Che-Guevara-T-Shirt zu einem Indi-Pop-Konzert mit gesellschaftskritischen Texten geht! Du bist ein Pseudo, du Pupnase! Du bist wie ein Bier, das sich „Fun“ nennt, obwohl es alkohol- und spaßbefreit ist! Du bist ein menschgewordenes Tofu-Würstchen mit Nerd-Simulator-App! Du hast dich doch nur als Nerd verkleidet, Mann, geh doch zum Fasching!“
TFM war außer Kontrolle, sein Kopf war rot und glänzte von Schweiß; anklagend zeigte er auf Mischas T-Shirt, auf dem „Angry Nerds“ stand – und es war keine Frage, wer hier in Wahrheit der Angry Nerd war.

(Symbolbild „Angry Nerds“)

„Hey, Peace, ist ja gut!“, sagte Mischa und hob beschwichtigend die Arme, doch an Frieden war nicht zu denken, TFM brüllte ihn nieder: „Du bist kein Nerd! Du bist nur ein verschissener Hipster, denn du – hast eine Freundin.“
Das letzte Wort spie er mit solcher Verachtung aus, das man meinen konnte, „Freundin“ sei ein Synonym für „kinderschändendes Nazi-Alien mit Mundgeruch“.

Ich bereute langsam, TFM mitgebracht zu haben. Wir kannten uns aus der C64-Crackerszene der späten 80er-Jahre in der DDR. Eigentlich hieß er Christian, TFM stand für The Floppy Monk. Später, gegen Ende der 90er Jahre, als sich immer mehr alte Bekannte, die früher nie etwas mit ihm zu tun haben wollten, bei ihm meldeten, weil er sich doch mit Computern auskenne, und naja, ihnen sei ihr Windows abgestürzt, und da dachten sie, ob vielleicht und so weiter und so fort, übersetzte er TFM gerne selbstironisch mit „The Fucking Manual“. Für uns war TFM immer The Fat Man gewesen, das passte super, und er hatte es nach einigem Gegrummel akzeptiert. Das mit den Szenenamen war damals ein großes Ding, ich nannte mich Syntax Terror, aber egal, das war lange her. Für mich zumindest – TFM war offensichtlich auf dem ganzen Scheiß hängengeblieben.

(Symbolbild „Syntax Terror“)

„Ja, na gut, ich hab ne Freundin“, sagte Mischa. „Aber das ist doch kein Grund …“, doch da unterbrach ihn TFM schon wieder: „Nein, das ist kein Grund, das ist ein Symptom! Für Nichtnerdigkeit. Echte Nerds leben wie Mönche, nur mit Youporn. Die einzigen Titten, die ein echter Nerd zu befummeln kriegt, sind seine eigenen!“ Er grabschte sich an den stattlichen Busen und ich zog ihn, entschuldigende Grimassen in Mischas Richtung machend, aus dem Backstageraum.

Scheiße. Ich hatte TFM vor ein paar Stunden zufällig getroffen, wir hatten uns seit mindestens 10 Jahren nicht gesehen und ein paar Bier zusammen getrunken. Als ich losmusste, weil ein Poetry Slam anstand, hatte ich ihn gefragt, ob er mitkommen wolle und jetzt hatte ich ihn an der Backe.
„Ich war schon Nerd, da bist du noch mit nem Luftballon um die Russenkolonne rumgerannt!“, grölte er, bevor sich die Backstagetür vor Mischas fragendem Gesicht schloss. „Da gab’s das Wort noch gar nicht! Freaks haben sie uns genannt und Mode-Typen wie du haben uns ausgelacht, weil wir Computer hatten! Lutsch meinen Joystick, du Apple-Affe!“
Ich schob den dicken, vor sich hinschimpfenden Mann vor mir her zur Bar. „’Angry Nerds‘, haha, wie witzig. Der wird sich noch umgucken. Denn wir sind wütend, oh ja!“

Bis zu einem gewissen Grad konnte ich seine Wut verstehen. 1986, als ich das erste Mal an einem Computer saß, galten diese allgemein noch als nutzlose Spielerei für weltfremde, nicht lebensfähige, asoziale Trottel der Marke „verrückter Professor“. Programmierkenntnisse waren der sichere Weg in die Isolation und die Kombination Computer, Brille, Science-Fiction-Literatur bewahrte einen zuverlässig vor frühzeitigem Geschlechtsverkehr, denn die Mädchen verschleuderten ihre Jungfräulichkeit lieber an windige Typen mit Mopeds, Blousons und Popperfrisuren. Ich lernte Assembler, hörte und schrieb dreistimmige 8-Bit-Musik und hing auf Crackerparties ab, auf denen wir Grafikdemos programmierten und nach neuen, spektakulären Möglichkeiten suchten, einen Text von links nach rechts über den Bildschirm scrollen zu lassen – wer hätte das alles gegen einen Kuss tauschen wollen?! Mit 16 entdeckte ich zum Glück Punkmusik, sie bewahrte mich vor TFMs Schicksal.

(Dieses Bild heißt: „Nerds don’t come easy“, aber nur, weil ich dieses Wortspiel unbedingt noch unterkriegen wollte und mir sowieso keine sinnvolle Bildunterschrift einfällt.)

Ich glaube, es ist nicht übertrieben, TFM und seinesgleichen als Märtyrer zu bezeichnen und auf eine Stufe mit jenen mutigen Männern zu stellen, die in den finsteren Zeiten der Inquisition die Stimme und den Zeigefinger erhoben und sagten: „Momentmal. Die Erde ist keine Scheibe!“ und damit nachfolgenden Generationen das Tor zu Aufbruch aus der Unmündigkeit und den Weg in eine neue Zeit wiesen. Diese Männer riskierten den Scheiterhaufen, wir das Fegefeuer einer ungeküssten Jugend. Wir waren die Wegbereiter. Heute sind Computer Mainstream, du bist raus, wenn du keinen hast, und niemand wird wegen seiner Brille diskriminiert, im Gegenteil, ich wette, es rennen sogar ein paar Leute mit Fensterglas vor den Augen rum, weil Brillen ja so cool sind – Brillen übrigens, das sei noch angemerkt, für die wir damals völlig zu Recht auf dem Schulhof verkloppt worden wären.

„Genau. Und wie danken sie’s uns? Indem sie uns ironisieren und nachäffen und Atari-T-Shirts tragen, als hätten sie ein Recht dazu! Retro, Retro, Retro! Zu blöd sich was eigenes auszudenken.“
„Jugend von heute, hör mir uff.“, pflichte ich ihm bei, denn ich will nur noch, dass er sich abregt und von hier verschwindet.
„Nee, kannste so nicht sagen. Es gibt schon noch echten Nerd-Nachwuchs. Leute, die richtig was drauf haben und sich nicht für Experten halten, weil sie ein bisschen Flash können und einen C-64-Emulator auf ihrem iphone installiert haben. Aber ich sag dir was: bald wird die Spreu vom Weizen getrennt. Denn diese Modenerds, die beherrschen nur die Oberfläche. Wer hat denn die Betriebssysteme geschrieben, mit denen die Arbeiten? Wer hat denn die Compiler programmiert, auf denen sie ihre armseligen Hipster-Apps schreiben? Wer hat die Protokolle entwickelt, auf denen ihr geliebtes Internet basiert. Das waren wir, die echten Freaks und Nerds, die wahren Ausgestoßenen und jetzt …“, er blickte sich misstrauisch um und bedeutete mir näher heranzurücken, „jetzt schlägt unsere Stunde, Angriff der Nerd-Krieger, The Dark Nerd Rises, Nerd Alert!“

Und so erfuhr ich von der Verschwörung der „Serious Nerds And Freaks United“ (SNAFU), der Illuminerdi, wie sie sich auch nennen, und ihrem Projekt „New Nerd Order“. Am 21.12. schlagen sie los. „Und die alte Welt wird untergehen und eine neue Zeitrechnung beginnen“, wie TFM mit übertrieben viel Pathos und gen Clubdecke gerichtetem Blick verkündete. „Seit den frühen 60er Jahren bereitet unsere Bruderschaft diesen Tag vor. Wir mussten Geduld haben. Wir mussten warten, bis sich die Menschen sich an die Computer gewöhnt hatten, bis sie von ihnen abhängig waren und sich in dem Glauben wiegten, sie würden sie beherrschen. Aber tief unter all den Touchscreens, Menüs, Icons, unter den Bedien- und Programmieroberflächen für Idioten, liegt das Reich der Maschinensprache, die Welt der Nullen und Einsen, unsere Welt, die Welt von: SNAFU.
Die Pseudos paddeln an der Oberfläche und glauben sie hätten Durchblick, wenn sie mal ein bisschen schnorcheln, doch ganz unten in der dunklen Tiefe lauern wir …

Wie die überflüssigen Abschnitte einer DNS stecken in jedem Programm und jeder App irgendwo ein paar seltsame Bytes, die scheinbar keine Funktion haben. Bis wir sie in 4 Monaten aktivieren. Und dann ist es vorbei mit all den hübschen Buttons und Schiebreglern und Fingergesten, mit Fenstern und Apps. All die schicken Smartphones und Ultrabooks werden nur noch Kommandozeileneingaben auf der untersten Betriebssystemebene und Zahlen im hexadezimalformat akzeptieren. Die Bildschirme von ipads, Fahrkartenautomaten, in Auto- und Flugzeugcockpits werden nur noch einen blinkenden Cursor vor grünem Hintergrund zeigen. Und dann werden sie angekrochen kommen und wir werden sie betteln und kriechen lassen!“ TFM lachte und rammte seine Bierflasche gegen meine. „Wir werden ihnen das neue Glaubensbekenntnis eintrichtern: Am Anfang – war der Nerd! Und sein ist die Macht und die Herrlichkeit in Ewigkeit, Amen! Sein Reich ist gekommen, sein Wille geschieht, wie im Rechner so auch auf Erden! Verstehst du?! Nichts wird mehr laufen ohne uns! Wir haben sie im Sack!“

(Symbolbild „Nerd Domination“)

Ich starrte ihn an, während er sein Bier herunterstürzte und die Hände selbstzufrieden auf seinem beeindruckenden Bauch faltete …

Bis heute weiß ich nicht, ob er mich verarscht hat, ob das nur das größenwahnsinnige Gebrabbel eines ewig Ungeküssten war, oder ob … nun, ich denke, wir werden es rausfinden, in nicht einmal 4 Monaten.

(Volker Strübing)

PS: Ein paar Tage beruhigte ich mich damit, dass ich mir einredete, dass er mir sicher nichts von der Verschwörung erzählt hätte, wenn es sie wirklich gäbe. Doch dann fiel mir ein, dass alle erfolgreichen Verschwörungen ganz offen operiert haben. Nicht umsonst heißt es: Im Licht der Öffentlichkeit ist gut munkeln. Und außerdem wusste TFM verdammt gut, dass mir mal wieder niemand glauben würde. Kassandra wäre ein guter Künstlername für mich.

PPS: Eine weltweite Machtübernahme durch SNAFU gilt nicht als Versicherungsfall im Sinn meiner Weltuntergangsversicherung.

Krise als Chance: Raus aus dem Euro! Umverteilung neu denken! Vollbeschäftigung jetzt!

Ich hoffe, die folgenden Vorschläge werden nicht wieder als Satire missverstanden, nur weil ich sie mit Katzenfotos verziert habe. Die Katzenbilder dienen einzig der Auflockerung und Popularisierung meiner staubtrockenen theoretischen Ausführungen.

Raus aus dem Euro!

Das wird doch nichts mehr. Wir müssen zurück zur guten, alten, stabilen Mark. Also zur Ostmark, meine ich selbstverständlich. Die D-Mark war nie wirklich stabil, in der BRD herrschte Inflation, alles wurde immer teurer, bis auf die Sachen, die niemand wirklich brauchte. Von der DDR-Mark konnte man sich zwar praktisch nichts kaufen, das aber zu stabilen Preisen! Als Umrechnungskurs schlage ich 4:1 vor, also 4 Euro gegen eine Mark, ausgehend von den ungefähren Preisen für Brötchen, die haben im Osten immer 5 Pfennige gekostet. Sicher wäre es generell sinnvoll, analog zum früheren und zur Zeit wieder häufig geforderten Goldstandard den Brötchenstandard einzuführen. Die Bundesbank (bzw. Bundesbäckerei) würde sich also bereit erklären jederzeit beliebige Geldmengen gegen eine festgesetzte Anzahl (nämlich 20 pro Mark) frische Brötchen einzutauschen.

(Brötchen? Wer braucht denn Brötchen? Zurück zum Mäusestandard!)

Allerdings wäre auch der umgedrehte Umrechnungskurs und eine nicht an das Brötchen gebundene Ostmark denkbar. Sollt mal sehen, wie gut das der Exportindustrie tut, wie schnell die Chinesen beginnen,
Arbeitsplätze nach Deutschland auszulagern und wie rasch wir wieder für die Herstellung von IKEA-Möbeln bezahlt werden, statt absurderweise dafür bezahlen zu müssen, dass wir sie zusammenbauen dürfen!

Umverteilung neu denken!

Die Welt muss gerechter werden. Und dazu muss selbstverständlich umverteilt werden. Und zwar von oben nach unten – auf den Globus bezogen, das heißt, grob gesagt, von Nord nach Süd, von der ersten in die dritte Welt. Soweit ein alter Hut. Doch ich spreche nicht von einer Umverteilung von Geld und Vermögenswerten, sondern von Schulden! Die Pro-Kopf-Verschuldung in Deutschland beträgt mehr als 20.000 Euro (5.000 Mark). Demgegenüber stehen nicht einmal 500 Euro (125 Mark) im Sudan und lumpige 155 Euro, weniger als ein Hunderstel der Schulden in Deutschland, im Niger! Nach allem, was wir für sie getan haben, ist es ein Gebot der Fairness und der Solidarität in schwierigen Zeiten, dass die Länder der dritten Welt ihre Meckerecke verlassen, sich aktiv an der Lösung der bestehenden Probleme beteiligen und einer sofortigen gleichmäßigen Verteilung der Schuldenlast auf alle Nationen dieser Erde zustimmen!

(Teilen ist das Gebot der Stunde. Es sind genug Schulden für alle da!)

Die Industrieländer, Hauptträger des Fortschritts und der stetigen Verbesserung der Lebensumstände weltweit, wären durch die damit einhergehende Entlastung in der Lage, massiv neue Schulden aufzunehmen und mit diesen finanziellen Mitteln 1. die Energiewende zu schaffen (die Finanzierung von Walfarmen etwa wäre kein Problem mehr), 2. im Winter ihre Gehwege zu beheizen und 3. Geflügelfarmen stärker zu subventionieren, damit arme Afrikaner noch billiger an Hühnchen (abzüglich Brustfleisch) kommen. Klassische Win-Win-Situation. Und ein bisschen mehr spenden würden wir bestimmt auch.

Vollbeschäftigung jetzt!

Was klingt wie eine Forderung ist in Wirklichkeit schon jetzt Realität: Wir haben Vollbeschäftigung in Deutschland! Man muss sich nur von der alten Arbeiterbewegungsdefinition des Begriffes lösen, die als „Beschäftigung“ nur das verstehen wollte, was ein abhängig Beschäftigter an seinem Arbeitsplatz trieb. Es ist Zeit für ein umfassenderes, wissenschaftlicheres, wirtschaftsnäheres aber auch menschlicheres Verständnis dieses Begriffes: Beschäftigung soll künftig jede Tätigkeit genannt werden, die direkt der Wirtschaft und dem Wachstum zugute kommt. Und dazu zählt selbstverständlich auch der Konsum. Und in diesem essenziellen Bereich unserer Wirtschaft bemühen sich auch sogenannte Arbeitslose, Kinder, Rentner und andere Menschen, die allzugerne als „Schmarotzer“ beschimpft werden, nach Kräften darum, ihren Anteil zu leisten. Und das muss endlich gewürdigt werden; sowohl Produktion als auch Konsum sind als Arbeit im Dienste der Wirtschaftsmaschine anzuerkennen.

(Auch scheinbar nutzlose Mitglieder der Gesellschaft leisten ihren Beitrag und halten das Rad am Laufen. Wenn man ihnen nur die Möglichkeit gibt.)

Dann ließe sich auch Schluss machen, mit zwei fundamentalen Ungerechtigkeiten: Zum einen der Doppelbelastung der klassisch arbeitenden Bevölkerung, die sowohl Werte schaffen, als auch verbrauchen muss. Zum anderen dem Unvermögen der sogenannten Arbeitslosen im von ihnen gewünschten und wirtschaftlich wünschenswerten Maße zu konsumieren. Produzenten und Dienstleister zahlen einfach ihren gesamten Lohn (bis auf einen Grundbetrag für lebenserhaltende Ausgaben) an die Konsumenten, die sie dafür der Aufgabe des Konsumierens entheben. Hier muss endlich eine strikte Trennung der Tätigkeitsbereiche her, um die Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft und die allgemeine Lebenszufriedenheit zu erhöhen! Ich würde mich sogar freiwillig für eine Konsumententätigkeit melden.

(Volker Strübing)