(Alle Schnipsel aus der SZ vom 2./3.8.2014)
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Bilder der Woche – 04/14: I, Prophet
Vielleicht war es der Engelmann-Effekt, vielleicht waren bei den Leuten daheim die Heizungen kaputt, vielleicht war es nur Zufall: Am Dienstag war der Saalslam im Saalbau Neukölln so voll wie selten oder sogar nie zuvor. Darüberhinaus war es auch schön und darüberhinaus habe ich gewonnen und konnte eine Flasche Berliner Wodka mit nach Hause nehmen.
Das alles hat wenig mit dem obenstehenden Foto zu tun, sieht man davon ab, dass Weiterlesen
Schnipsel vom 19.12.2012
Das geht mir alles noch nicht weit genug. Natürlich ist es gut, dass Zigarettenpackungen in Zukunft mit Schockfotos bedruckt und Zusatzstoffe, auch und besonders solche, die den Geschmack angenehmer machen, verboten werden. Schließlich, so erklärte irgendein EU-Kommissar im Radio, soll Tabak wie Tabak schmecken, nicht nach Vanille oder Kakao oder Menthol, da so etwas Jugendlichen den Einstieg in die Sucht schmackhaft machen. Doch das kann nur ein Anfang sein. Wann werden endlich alkoholische Getränken einem drakonischen EU-Reinheitsgebot unterworfen, laut dem sie nur Wasser und Alkohol enthalten dürfen? Schließlich soll Alkohol nach Alkohol schmecken, nicht nach Hopfen, vergammelten Trauben oder Torf. Hamburger sollten nur noch aus Fett bestehen dürfen, da Zusatzstoffe wie Salatblätter und traurige Tomatenscheiben den gefährlichen Inhalt verschleiern, den Konsum angenehmer machen und Kindern den Einstieg erleichtern. Und dann gibt es da ja auch noch Kondome mit Erdbeergeschmack, das ist doch Betrug, ganz davon abgesehen, dass es Jugendlichen den Einstieg usw., herrjeh, wenn es wenigstens Penisgeschmack wäre! Ach, es gibt noch so viel zu tun.
Quatsch, es gibt gar nichts zu tun, das geht alles schon viel zu weit, sagt dagegen die Tabakindustrie. Vorhin, als ich gerade Zucker aß, dem verschiedene Zusatzstoffe wie Teig, Kakao und Kirschen beigemengt waren, lief ein Interview mit dem Dings vom Sowieso – ich hab jetzt keine Lust nachzugucken, wer das genau war, da ich offline schreibe und nachher nur kurz zum Hochladen auf den Dachboden gehe, wo der DSL-Stecker ist, es war jedenfalls ein Sprecher eines Vereins der Tabakindustrie. Es hat viel Spaß gemacht, ihm bei seiner Sprachakrobatik zuzuhören. Da war dauernd die Rede von „gewissen Risiken“ beim Konsum von Zigaretten (wie auch beim unverantwortlichen Konsum anderer Genussmittel), ja natürlich, man gebe zu und habe nie bestritten, dass es „durchaus auch Risiken“ gebe, aber der freie selbstverantwortliche Bürger und so weiter und so weiter und außerdem: Die Arbeitsplätze in der Zigarettenindustrie, geraden jetzt, in der Krise! Das hat richtig Vorfreude auf die Pressekonferenz der amerikanischen Waffenlobby am Freitag gemacht.
Falls sie denn stattfindet, denn Freitag, da ist ja nun auch Weltuntergang oder eben auch nicht, auf alle Fälle will niemand mehr etwas davon hören. Trotzdem – „Hope for the best, prepare for the worst“ – ich möchte darauf hinweisen, dass es noch nicht zu spät ist, eine Weltuntergangsversicherung abzuschließen (siehe im verlinkten Artikel unter Punkt 10). Seltsamerweise bin ich mit dieser Idee nicht reich geworden, ich habe nur zwei Premiumpolicen verkauft. Wer glaubt, dass Gruselfotos auf Zigarettenpackungen die Leute vom Rauchen abhalten, wenn Sie sich nicht mal wegen einem ollen, bald abgelaufenen Kalender aus dem Urwald Sorgen machen?
(VS)
PS: Ich finde es gut, diese Fotos auf die Zigarettenschachteln zu drucken. Wenn sie auch nur ein paar Jugendliche davon abhalten, mit Rauchen anzufangen, in diese fiese Falle zu geraten, wenn sie dazu beitragen, dass Rauchen noch ein wenig unattraktiver wird, dann ist das eine gute Sache. Das Verbot von Aromastoffen, zumindest die Begründung „Tabak soll nach Tabak schmecken, Aromen würden Jugendliche verführen“, halte ich für fragwürdig. Jugendliche steigen auch mit dem stinkigsten Kraut in die Raucherei ein (bei mir war es „Porti“ ;), wenn sie glauben, es sei attraktiv, cool, erwachsen oder einfach nötig, um nicht mit den Losern in einer Ecke zu stehen. Eher eine Frage der Einstellung der Gesellschaft zum Rauchen, als eine des Geschmacks.
Schnipsel vom 17.9.2012 – Spirelli und gestiefelte Netzbarbaren
- Meine Tips für euren nächsten Chemnitz-Urlaub: Das Museum für sächsische Fahrzeuge und das Café Kutsche.
- Apropos Spirelli mit Tomatensauce: Ich vermute ja, dass das ein typisches DDR-Gericht ist oder dass zumindest der Name DDR-typisch ist, aberich maße mir darüber keine Aussage an, da mir Sprach- und Esskultur der Vorwende-BRD nicht gut genug bekannt sind.
Dieselbe Zurückhaltung wünsche ich mir manchmal von den Autoren altbundesländischer Zeitungen, die ihr Halbwissen über DDR-Sprache gerne mit einem ironischen Schmunzeln in ihre Texte einfließen zu lassen. So zum Beispiel heute Camilla Blechen in der FAZ in einem Artikel über Friedrich den Großen und seine Rolle als PR-Mann der Kartoffelmafia: „Bis heute erfüllen die mehligen Feldfrüchte – nicht nur im weiterlebenden Sprachgebrauch der DDR – ihre Funktion als ‚Sättigungsbeilage’“. Das ist Quatsch. Kartoffeln wurden im Osten „Kartoffeln“ genannt (so wie man übrigens für gewöhnlich Weihnachtsengel „Weihnachtsengel“ nannte). Die Sättigungsbeilage waren irgendwelche sauer eingelegten Gemüse und Ähnliches.
So! Das war vielleicht kleinlich, aber was gesagt werden muss, muss gesagt werden, und es heißt nunmal „Rös’chenhof“ und nicht „Röschen-Hof“!
- Bevor ich jetzt gleich auch noch über einen Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung herziehe, möchte ich anmerken, dass FAZ und FAS zu meinen Lieblingszeitungen/-zeitschriften gehören, obwohl – und auch ein bisschen weil – ich die Meinungen der Autoren oft nicht teile.
- Von allem, was ich dieses Jahr im Internet gesehen habe, hat mir das Jesus-Monchichi wohl die meiste Freude bereitet, der misslungene Versuch einer spanischen Rentnerin, ein Jesus-Fresko zu restaurieren. Ich muss ehrlich gesagt noch immer kichern, wenn ich daran denke.
Wie viele der besten lustigen Geschichten ist sie gleichzeitig ein bisschen traurig; eine Erzählung von Anspruch und Scheitern, und damit noch ein ganzes Stück großartiger als niesende Pandas oder so.Wie man hört, ist die Rentnerin ziemlich unglücklich über die mediale Aufmerksamkeit: Ich glaube gern, dass es schlimm für sie ist, dass ihr Versuch, dem Bildnis ihres Erlöser seine Erhabenheit zurückzugeben, dazu geführt hat, dass die ganze Welt darüber lacht. Und nur ein herzloser Utalitarist würde das Unglück dieser Frau gegen die Freude, die sie Millionen Menschen gemacht hat, aufrechnen.
Andererseits: Das ändert nichts daran, dass es nunmal verdammt lustig ist.
Für manche Leute ist die ganze Geschichte allerdings ein (weiterer) Beleg für den Untergang des Abendlandes. Zum Beispiel für Paul Ingendaay, der sich in der FAS von gestern darüber beklagte, dass es doch wohl wichtigere Themen gäbe – als müssten erst Euro, Umwelt und das deutsche Rentensystem gerettet, Hunger, Krieg und Krebs beseitigt werden, bevor irgendjemand es wagen darf, die Mundwinkel nach oben zu ziehen. Anschließend beschreibt er kurz die Geschichte des Bildes und seiner missglückten Restaurierung, um dann mit Ekel zu konstatieren:„Nicht, dass sich die Spaßgemeinde im Netz für diese Zusammenhänge interessiert hätte. Sie wäre wohl auch über größere Kunstwerke ohne Bedenken hinweggestiefelt. Denn hier siegt Albernheit über Ernst, Gelächter über Feierlichkeit, das Säkulare über die Religion.“ – hallelujah, wir werden alle sterben.
Allerdings nimmt der Autor kurz darauf den Vorwurf der Gottlosigkeit zurück, indem er praktisch behauptet, die alles Schöne und Wahre niederstiefelnden Netz-Orks hätten den Witz an sich zu ihrem Gott erklärt. Oder, wie er in einem anderen, online verfügbaren Artikel zum selben Thema schreibt: „Die neue, von den sozialen Netzen heraustrompetete Frömmigkeit gilt dem Scherz, der peinlichen Lachnummer, der Banalisierung und Blasphemie.“ – niesender Panda, geheiligt werde Dein Schnupfen, Dein Reich komme, wie im Tierpark so auch auf Erden. (Ich habs in letzter Zeit irgendwie mit Neufassungen des Vater Unser)
(Herbst 1972: Der Autor dieses Beitrages auf der Motorhaube eines F8. 16.9. 2012 (leider ohne Foto): Der Autor dieses Beitrages und ein F8 im Museum für sächsische Fahrzeuge in Chemnitz. Wie sich die Zeiten ändern. Der F8 stand nur rum, ich durfte immerhin ein paar Geschichten vorlesen und hinterher wieder nach Hause.)
- Nebenher läuft gerade der Fernseher und Angela Merkel behauptet in den Nachrichten: „Gewalt ist kein Mittel der Auseinandersetzung.“ Aber hallo ist sie das! Auch wenn es bedauerlich ist.
(Volker Strübing)
Modschekiebchen sind der neue Cat-Content
„Jau, und da drüben, das Haus da drüben, das hat ja nun auch einer von der NPD gekauft. Na, da kannste nix machen, ne?! Aber ich sag auch: Ich hab kein Problem mit dem. Ich hab dem nix getan, der hat mir nix getan, wieso soll ich was gegen den haben? Der grüßt immer freundlich und seine Frau grüßt auch immer freundlich. Und wenn man dann immer hört, dass die irgendwelche Leute zusammenschlagen, das kann ich mir nicht vorstellen. Da wird schon vorher was gewesen sein …“
Hab gerade 2 Wochen Landurlaub hinter mir. Das Wetter war schön (außer wenn die Sonne dolle schien), die Heidelbeeren waren lecker, die Gespräche über den Gartenzaun interessant (siehe oben). Und wenn ich jetzt nicht gerade was anderes vorhätte, würde ich einen langen Artikel über den Satz „Die werden schon irgendwas gemacht haben“ schreiben, den ich für einen der schlimmsten überhaupt halte. So belasse ich es bei ein paar Kitschbildern und dem Hinweis, dass heute Abend im Ritter Butzke ein Poetry Slam stattfindet mit Dalibor, Lars Ruppel, Jan Koch, Broca Areal, Sebastian Lehmann, Maik Martschinkowsky und mir. Und die sind alle mindestens super. (Ja, ich auch, scheiß auf falsche Bescheidenheit ;)
(Ganz ohne Katzen geht’s natürlich auch nicht.)
(Arbeitsurlaubsplatz)
(VS)
Schnipsel vom 15.6.2012
Man kann ja über vieles schimpfen – und sollte dies auch unbedingt tun! „Schimpfen, meckern, nörgeln aber sind die edelsten menschlichen Tätigkeiten, denn die Gabe des Schimpfens erst ist es, die den Menschen zum Menschen macht, ihn über das Tierreich und selbst noch über Gott erhebt, denn nur ihm ist sie gegeben – machen wir davon Gebrauch!“ (Volker Strübing, Der Mensch. Eine Annäherung., Band IV, S. 673). Gründe sind schnell gefunden: Finanzkrise, S-Bahn, Bubble Tea, Jugend von heute, Jugend von gestern, „die da oben“ (und die da unten erst!), Benzinpreis, Wetter, die Unregelmäßigkeit der Aktualisierung dieses Blogs, das dauernde Gemecker anderer Leute etc., etc., man muss und kann ja über alles schimpfen.
Die einzige mir bekannte Ausnahme ist Innsbruck. Gegen Innsbruck lässt sich nun wirklich überhaupt nichts sagen. Innsbruck ist toll und hat alles, was eine Stadt braucht: Eine Lesebühne, einen Poetry Slam, urste Berge, einen Fluss mit ulkiger Farbe, eine Zahnradbahn und eine direkte ICE-Verbindung nach Berlin. An Innsbruck gibt’s absolut nichts zu meckern und ich möchte es ganz ausdrücklich nicht als Nörgelei, sondern als konstruktive Kritik verstanden wissen, wenn ich darauf hinweise, dass der ICE von Innsbruck statt in Berlin Südkreuz lieber in Berlin Gesundbrunnen halten sollte, und dass die Stadt sogar (obwohl das unmöglich erscheinen mag) noch ein bisschen schöner wäre, wenn sie am Meer läge.
(Neue Trends und Entwicklungen erreichen Innsbruck vielleicht nicht unbedingt als erstes, aber was macht das schon?)
Gestern abend war Innsbruck insgesamt nicht so schön wie sonst, da ich mich in der Stadt herumtrieb und sehr hässlich war. Also, eigentlich war ich gar nicht hässlich, nur meine Hose war hässlich, die dafür aber so richtig. Das heißt, vielleicht war die Hose eigentlich auch gar nicht sooo hässlich und sah nur an mir dran bzw. mit mir drin hässlich aus. So hässlich nun freilich auch wieder nicht, aber … ulkig. Glaub ich wenigstens, ich hab mich auf alle Fälle ulkig gefühlt. Es war nämlich eine Röhrenhose und ich schwöre, sowas wollte ich nie anziehen!
Das kam nämlich so: Die Zugfahrt nach Innsbruck dauerte 9 Stunden. Und was macht man auf einer neunstündigen Zugfahrt? Na klar: Man kippt sich einen Deutsche-Bahn-Kaffee über die Hose – wann kommt man sonst schonmal dazu?
In Innsbruck angekommen rammelte ich also in den nächstbesten H&M, weil ich bei der Text Ohne Reiter Jubiläumsveranstaltung nicht im Kaffeefleckencamouflage auftreten wollte (ich bildete mir ein, das würde ulkig aussehen – heilige Einfalt!), ramschte einen Batzen Hosen von einem Sonderangebotsständer, probierte sie in der Kabine durch, entschied mich für die am wenigsten hässliche Alternative, hängte diese dann zusammen mit einigen anderen zurück an den Ständer und rannte mit der am meisten hässlichen Alternative zur Kasse … scheiße.
Hätte ich meine schwarze Fettrahmen-Brille nicht letztes Jahr in einem Taxi in Jordanien liegengelassen, hätte ich ausgesehen wie ein Hipster oder wenigstens Mipster (Möchtgern-Hipster).
Jetzt weiß ich nicht, was ich mit der Hose machen soll. Heute kommt wahrscheinlich Magdeburg nochmal in den zweifelhaften Genuss, mich in ihr zu sehen, aber danach? Vielleicht hebe ich sie auf und wenn mal wieder ein Langstreckenflug ansteht, ziehe ich sie als Trombosestrumpfhose unter die normalen Jeans …
(Von diesem Trend hingegen kann man sich nur wünschen, dass er von Innsbruck aus die Welt erobert: Klare Kommunikation, Produktpräsentation ohne störenden Schnickschnack, Konzentration auf eine Kernkompetenz statt einer erschlagenden Vielfalt an sinnlosen Produkten, die mit falschen Glücks- oder Individualitätsversprechen beworben werden.)
(Volker Strübing)
Schnipsel vom 2.1.2012
(Lutherstadt Wittenberg – fahrt dort nie hin! Überall nur Lutherschnickschnack, aber nirgends Kaffee Togo für Menschen, die ein widriges Schicksal – ja, ich spreche von der Bahn! – zu einem einstündigen Aufenthalt in der Stadt verdammt …)
Erholung, Teilstück 2012 – das wäre doch ein schönes Motto für das neue Jahr! Aber das wird wohl nichts, denn im Dezember steht ja nun mal wieder der Weltuntergang ins Haus und bis dahin gibt es noch einiges zu erledigen. Mein wichtigster guter Vorsatz für 2012 ist dennoch: Mehr Mittagsschlaf machen. Heute hätte ich ihn beinahe schon gebrochen, aber vor etwas über ner Stuunde, gegen halb 9, habe ich es dann doch noch geschafft, mich für ein halbes Stündchen hinzulegen.
Meine erste Anschaffung im neuen Jahr wahr übrigens eine Kinderbibel (aus Gründen, die sich mit dem nächsten Kloß-und-Spinne-Film klären werden). Und die war bei Thalia lustigerweise in das Regal „Kindersachbuch“ einsortiert. Gleich daneben steht das Regal „Fantasy ab 8“, wahrscheinlich haben sie sich da bloß vertan. Danach habe ich mir auch noch eine richtige Bibel gekauft und bei einem kurzen Vergleich festgestellt, dass sie in der Kinderbibel die ganzen saftigen Stellen rausgelassen haben, zum Beispiel diese hier: „Nehmt das Land in Besitz und besiedelt es, denn ich der HERR, gebe es euch zu Eigen (…) Ihr müsst unbedingt alle Bewohner des Landes vertreiben …“ Ich schwöre: Ich hab den Wälzer vorhin wahllos aufgeschlagen und mein Blick fiel sofort auf diese Zeilen aus dem vierten Buch Mose. Sicherlich auch angelockt von der knalligen Überschrift „Keine Schonung für die Bewohner des Landes“. Es ist noch keine 3 Monate her, dass ich Leute kennengelernt habe, für die genau diese Aufforderung zur ethnischen Säuberung noch immer als himmlisches Gesetz gilt. Die Bibel habe ich übrigens vom Ramschtisch, leider nicht vom Ramschtisch der Geschichte, sondern nur der Buchhandlung, aber ich habe mir für 2012 auch vorgenommen, mich mehr über Kleinigkeiten zu freuen.
Um des himmlischen Gleichgewichts Willen, will ich mich aber auch mehr ärgern. Gestern zum Beispiel habe ich festgestellt, dass man als Bahncard-50-Besitzer, wenn man keine Fahrkarte hat und dann kein Schaffner durch den Zug kommt, nur die Hälfte spart!
Frohes und so!
(Volker)
Schnipsel vom 8.3.2011
Wird Zeit, dass ich mich hier mal wieder melde. Manchmal habe ich keine Lust zum Bloggen. Außerdem war ich viel unterwegs. In den nächsten 10 Tagen fahre ich noch nach Dresden, Chemnitz, Zürich und Darmstadt. Mit dem Zug – jetzt fragt mich mal, was ich vom Lokführerstreik halte!
Nüscht halte ich davon. Egal, ob die Forderungen berechtigt sind oder nicht. Der Strek ist nämlich vollkommen sinnlos. Es wird so ablaufen wie die letzten Male: Ein paar Hunderttausend Leute werden irgendwo festsitzen, nicht in den Urlaub oder nicht auf Arbeit kommen und dann einigen sich Gewerkschaften und Arbeitgeber irgendwie, beide Seiten sind am Ende nicht ganz zufrieden, feiern aber ihren Sieg bzw. ihre Kompromissbereitschaft. Es ist doch so: Alle wissen, dass die Lokführer streiken können und welche Folgen das hat – warum kann man also nicht einfach davon ausgehen, dass sie es bereits getan haben und sich unter dieser, nur ein bisschen Fantasie und Kreativität erfordernden Prämisse zusammensetzen. Wozu muss man das nochmal durchziehen? Vielleicht können zur Vorbereitung die Vorstände der Bahngesellschaften und die Gewerkschaftschefs einen Tag auf einem zugigen Provinzbahnhof herumstehen und damit sozusagen symbolisch die Passion unzähliger Bahnreisender auf sich nehmen (die ja ohnehin am Ende die höheren Löhne über die Fahrkarten mitbezahlen, was als Zeichen unserer Solidarität schon ausreichen sollte).
Die Verhandlungsführer mögen sich doch bitte einmal die ersten Kapitel von „Per Anhalter durch die Galaxis“ durchlesen und Ford Prefects sehr intelligente Argumentation bezüglich des Mann-im-Matsch-vor-Bulldozer-Problems zu Herzen nehmen.
(Düsseldorf, Sparkassenforum)
In der Zeit der Warnstreiks mussten Micha und ich von Düsseldorf nach St.Gallen fahren und hatten Glück. Inmitten des großen Chaos‘ kam ausgerechnet unser Zug nur mit 10 Minuten Verspätung an. Sowohl in Düsseldorf als auch in der Schweiz war es sehr schön – herzliche Grüße und vielen Dank an dieser Stelle nocheinmal an Christine, Markim, Lisa, Richi und Rainer!
(Trogen)
Herrlich war es im noch immer verschneiten Trogen (Endhaltestelle einer der Appenzeller Bahnen, gerne auch als „Endstation Trogen“ bezeichnet) mit der Jacke über der Schulter und hochgekrempelten Ärmeln bei strahlendem Sonnenschein durch den Schnee zu Stiefeln!
(Trogen)
Ebenfalls Gruß und Dank an Michl und Martina, denen ich die Frankentour und herzliche Aufnahme während der selben verdanke. 5 Tage habe ich bei ihnen in Nürnberg gewohnt – Zeit genug für ein paar Beobachtungen in der Stadt:
Nürnberg eine wunderbare Stadt zum Bummeln und Shoppen. Direkt im Zentrum ist natürlich alles voll mit den üblichen Mode- und Parfümerieketten und mit ungemütlichen Bars, die sich nicht zu schade sind, sich „Bar Celona“ zu nennen, sowie mit langweiligen Brillengeschäften, deren Geschäftsführer sich fragte: „Was können wir tun, damit niemand merkt, dass unser Brillengeschäft total langweilig ist? Klar: Wir nennen es : ‚Das verrückte Brillenhaus‘ und ‚verrückt‘ schreiben wir mit so einem komischen verrutschen, hihi, sozusagen verrücktem ü!“. An einem chinesischen Schnellimbiss, dessen Schaufenster komplett mit Schnapsflaschen zugestellt ist, verspricht ein Schild: „Alle Asia Saft Döse 1 Euro!“
Doch etwas abseits findet man Geschäfte mit heimeligen und klingenden Namen wie „Küchen Loesch“, „Pelz Böck“, „Blumen Stier“, „Koffer Kopf“, „Schirm Hahn“, „Uhren Christfeld“, „Gardinen Möser“ und „Samen Edler“ – über die letzten beiden sind sicher schon genug Witze gemacht worden, das kann ich mir also sparen. Zur Sicherheit möchte ich jedoch anfügen, dass es sich bei Samen Edler tatsächlich um ein Geschäft für Pflanzensamen handelt und nicht um einen türkischen Schnellimbiss – vor einigen Jahren geriet Nürnberg in die Schlagzeilen, als in einem Döner Sperma gefunden wurde.
Nürnberg geriet freilich schon so einige Male in die Schlagzeilen, erinnert sei hier zum Beispiel an die Reichsparteitage im dritten Reich. Stilhäschen, deren Blog ich schon lange mag und die ich in Nürnberg bei einem Kaffee und einem Bier kennenlernen konnte und die ich benefalls ganz gerzlich grüßen möchte, wies mich auf das nette Detail hin, dass ausgerechnet in Nürnberg die erste vollautomatische und damit führerlose U-Bahn Deutschlands fährt, was ein schönes Zeichen gegen historische Kontinuitäten ist, wie ich finde. Apropos Hitler.
In Nürnberg, wie in ganz Bayern gilt ein äußerst strenges Rauchverbot in öffentlichen Gebäuden – nur in psychatrischen Kliniken und im Gefängnis gibt es noch die Möglichkeit drin zu rauchen. Wie sich die damit verbundene Steigerung der Attraktivität besagter Einrichtungen auf die geistige Gesundheit und die Kriminalitätsrate der Bayern auswirken wird, bleibt abzuwarten. Kneipen schicken einen jedenfalls ausnahmslos vor die Tür – ohne Bier, denn das muss zum Kompott auch noch drin bleiben. Sebastian Frankenberger, der Initiator dieser strengen Antirauchergesetze ist deshalb gelegentlich als Nazi beschimpft und mit Hitler verglichen worden. Das geht entschieden zu weit, finde ich, das hat Hitler nicht verdient. (Und da ich heute so in Grußlaune bin, grüße ich an dieser Stelle Frédéric. Er wird wissen, warum.)
(Nürnberg)
Eine Postkarte, die ich in einem Souvenirladen kaufe, erläutert, worauf man in Nürnberg besonders stolz ist: „Die Hauptstadt Frankens hat viele Attribute, wie: Meistersingerstadt, Dürerstadt, Stadt der Lebkuchen und der Bratwürste, aber auch des Weihnachtsmarkts“. Ein wichtiges Attribut fehlt: Hauptstadt der hässlichen Teenager. Unglaublich, welche Mühe sich gerade hier viele Jugendliche dabei geben, möglichst beschissen auszusehen. Zwei von ihnen stehen im Hauptbahnhof auf der Rolltreppe hinter mir und reden mit schrillen Stimmen über irgendeinen „Spast“, der sich ihren Unwillen zugezogen hat. Ich drehe mich um und sehe zwei junge Migrationshintergründlerinnen, deren mangelnder Geschmack darauf hindeutet, dass sie zumindest in der Hässliche-Teenager-Szene erfolgreich integriert sind.
„Ieeehh! Der hat mich angeguckt!“, keift die eine, als sie mich sieht. „Bähhhh, der is ja voll hässlich!“, keift die andere. Ich antworte: „Mensch Mädel, wenn du MICH hässlich nennst, welche Worte bleiben dir dann noch, um dich selbst zu beschreiben? Knautschzone? Bundeskanzleramt? Saft Döse?“
Leider, oder besser gesagt: Zum Glück fällt mir diese pfiffige Antwort erst 5 Minuten später ein und der Fahrkartenautomat, dem ich sie mit gerechtem Zorn ins Angesicht schleudere, antwortet mit der Gegenfrage, ob ich Bahn-Comfort-Punkte sammle. Keine Ahnung, was passiert wäre, wenn ich etwas schlagfertiger gewesen wäre. Ich habe große Angst davor, einmal von ein paar pubertierenden Mädchen verkloppt zu werden, denn ich weiß nicht, welche Benimmregeln in einem solchen Fall für Männer gelten. Mit deeskalierenden Gesprächstaktiken hätte ich es gar nicht erst probieren brauchen, Worte des Friedens wären auf ähnlich fruchtbaren Boden gefallen wie ein Blumensamen auf dem Mond. Klar ist auch: Wegrennen, um Gnade flehen oder um Hilfe rufen fällt aus, da könnte man sich genauso gut öffentlich kastrieren und für alle Zeiten von seinem Posten als zumindest potentieller Teil des evolutionären Reigens zurücktreten. Zurücktreten bzw. Zurückschlagen geht aber irgendwie auch nicht – ein Mann der junge Mädchen schlägt, was ist das denn bitteschön für ein Arsch? Zumal der Ausgang eines Kampfes in diesem Falle ungewiss gewesen wäre – irgendwie hatte ich den Eindruck, dass die Streetfighting-Skills der beiden höher waren als die meinen.
Für Verhaltenshinweise wäre ich dankbar.
(Lisa, Richi, Maximilian auf dem Weg ins weiße Nichts …)
(VS)
Schnipsel vom 9.2.2011
(Backstage Übel & Gefährlich / Hamburg)
Ich bin zur Zeit ziemlich viel unterwegs, deshalb ist hier auch nicht so viel los. Vorletzte Woche war ich in Hamburg, wo ich unter anderem erleben konnte, wie Laurin Buser beim Bunkerslam im Uebel & Gefährlich von allen Jurymitgliedern 10 Punkte bekam. Die 10 ist – so erklären es zumindest einige Moderatoren der Jury und dem Publikum – für Texte vorbehalten, die einen kollektiven Orgasmus auslösen. Und man muss sagen: Laurin hat genau das geschafft. Habe noch nie erlebt, dass ein Publikum bei einem Slam so ausrastet. Hammer.
Vorgestern war ich in Augsburg, war eingeladen zum Dead-Or-Alive-Slam im ausverkauften Parktheater. Ein sehr, sehr schöner Abend. Und tolles Wetter haben die da unten!
(Soundcheck im Parktheater)
Außerdem gibt es in Augsburg, wie ich erfreut feststellte, nicht nur einen Roy-Black-Weg, sondern auch eine Frohsinnstraße. Spinne würde das sicher sehr gefallen.
(Kein Roy-Black-Weg, keine Frohsinnstraße: In Meiersberg (MV) kann man auf jeden Schnickschnack bei der Straßenbenennung verzichten. Ach, auf dem Land ist alles so herrlich unkompliziert …)
Ab Sonntag steht dann eine kleine Frankentour an, danach bin ich mit Micha als Team in Düsseldorf und der Schweiz unterwegs. Die nächste Gelegenheit, mich in Berlin zu hören gibt es am Freitag in der JVA Hakenfelde. Ich weiß nicht, ob es noch Plätze gibt. Vom Ambiente wird es sicher das genaue Gegenteil des Parktheaters.
Gerade jetzt, wo ich soviel unterwegs bin, wurde mir von Seiten der Deutschen Bahn die ultimative Demütigung für einen fahrenden Schriftsteller zu teil. Meine neue Bahncard ist da:
Nie mehr Omas von den Bahn-Comfort-Plätzen vertreiben :(
Was ganz anderes: Neulich beklagte sich Norbert über den mangelnden Integrationswillen der Muslime was den Alkoholkonsum angeht, jetzt ist ihm der bayerische Brauereibund beigesprungen. An der Argumentation ist ja auch absolut nichts auszusetzen! Umso peinlicher ist es anzusehen, wie der Brauereibund jetzt halbherzig und feige zurückrudert, von Missverständnissen spricht und behauptet, mit Migranten habe man vor allem Nichtbayern aus anderen Teilen Deutschlands gemeint. Jaja, tolle Sache, auf Ausländer schimpfen und dann glauben, man mache es besser, indem man sagt, man habe ja eigentlich die Ostler gemeint!
(Hotelhinterhof, Reeperbahn, Hamburg)
Sehr unangenehm ist es übrigens, sich die Haut über dem Kehlkopf im Reißverschluss der hochkragigen Jacke einzuklemmen. Ich möchte behaupten, dass es die zweitunangenehmste Möglichkeit ist, sich etwas in einem Reißverschluss einzuklemmen.
Schnipsel vom 17.1.2011
Es ist ein sicheres Anzeichen für Dummheit, wenn man denselben Fehler immer wieder wiederholt. Sich zum Beispiel ständig aufs Neue von Früchteteeverpackungen, die aufregende und exotische Genüsse versprechen, zum Kauf animieren lässt. Zur Zeit stapeln sich bei mir Ananas, Sauerkirsche, Sanddorn, Erdbeer-Rhabarber, Apfel-Feige und Himbeere – und alle schmecken nach Hagebutten. Früchtetees schmecken immer nach Hagebutten, bestenfalls nach Hagebutten, denen jemand eingeredt hat, sie wären Äpfel oder Sauerkirschen, das müsste ich doch langsam mal begriffen haben!
Zum Glück mag ich Hagebuttentee.
Die Qualität von Brötchen verhält sich umgekehrt proportional zu ihrem Preis. Die zu 26 Cent von Kamps (dem Becks unter den Bäckereiketten) taugen zum Beispiel nur zum Entenfüttern oder dazu, sich das Wochenendfrühstück zu verderben. Sollte es jemals eine allgemeine Theorie von überhaupt allem geben, wird sie sich daran messen lassen müssen, ob sie auch diesen Zusammenhang vorraussagen kann.